Montag, 26. Mai 2014

Europa ruft!

Namaste liebe Leser,

Nach sechs Wochen in Indien und insgesamt etwa vier Monaten im asiatischen Raum ist für uns die Zeit gekommen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich am Flughafen von Delhi und frage mich selbst, was ich denn nun eigentlich halte von dieser größten Demokratie der Welt.

Im Prinzip fällt mir nur ein einziges Wort ein, mit dem man dieses Land beschreiben kann: überwältigend. Indien ist nicht wie andere Länder. Indien nimmt den Besucher vom ersten Tag an ganz und gar gefangen. Ich wage sogar zu behaupten, Indien ist das bunteste, verrückteste und schnelllebigste Land auf dieser Welt. So sehr wir das Chaos auf Indiens Straßen manchmal verflucht haben, so sehr werde ich das Durcheinander aus Chai- und Omeletteverkäufern und Touristenschleppern, aus den bunten Saris der Frauen und den schmutzigen Gesichtern der Kinder vermissen. Jedes andere Land wirkt blass gegenüber dem Abenteuer Indien.

Bezeichnend, dass es Indien gelungen ist, uns heute ganz zum Schluss noch einmal zu überraschen. Zum einen mit einer der schlimmsten Taxifahrten meines Lebens. Vieles haben wir gerade auf asiatischen Straßen schon über uns ergehen lassen müssen, doch als unser Taxifahrer mit sechzig Sachen im Slalom rund um die gigantischen Betonsäulen der Metro raste, nur um anschließend mit Kleinlastern und Rickschas eine Art Straßen-Tetris zu spielen, habe ich mich dann doch am (abgeschnittenen) Gurt festgeklammert und ein Stoßgebet zum Himmel geschickt. Wundersamerweise heil angekommen, folgte dieser irren Fahrt einer der für Indien so typischen Gegensätze. Das Taxi setzte uns vor einem Terminal des Flughafens von Delhi ab, das mit seiner Modernität und Sauberkeit so einige europäische Airports vor Neid erblassen ließe. Und diese himmlische Ruhe in den majestätischen Hallen! Ich werde aus diesem Land einfach nicht schlau.

Trotz aller Faszination, die Indien nach wie vor auf mich ausübt, freue ich mich in diesem Augenblick aber auch wahnsinnig auf unser nächstes Ziel: Spanien. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Anziehungskraft beispielsweise der Gedanke an westliche Supermärkte momentan auf uns ausübt! Oder die Freude auf ein Land, in dem wir nicht kontinuierlich von allen Seiten angestarrt werden, als wären wir irgendwelche Hollywood-Superstars (oder grüne Marsmännchen, würde auch keinen Unterschied machen). Nach neun Monaten in der Ferne haben wir manches zu schätzen gelernt, das wir vorher für selbstverständlich hielten, und so sage ich nun voller aufrichtiger Vorfreude: Europa, wir kommen! ;-)

Geschrieben am 24.05.2014, 00:45 Uhr, Flughafen Delhi

Mittwoch, 21. Mai 2014

Auf dem Rücken eines Kamels

Guten Morgen liebe Leser,

Das kleine Städtchen Jaisalmer markiert den westlichsten Punkt der Bahnstrecke, die von Delhi aus den Bundesstaat Rajasthan durchquert. Mitten in der Wüste gelegen und von einem weiteren massiven Fort aus vergangenen Zeiten gekrönt, gäbe es eigentlich keinen Grund hierherzukommen, wären findige Geschäftsleute nicht auf die Idee gekommen, Touristen einen kleinen Einblick in das Leben in der Wüste zu geben.

Dank der enormen Hitze von vierzig Grad und mehr waren jetzt im Mai allerdings nur wenige Touristen auf den Straßen zu sehen - ein Glück, den so wirkte die Stadt lange nicht so überlaufen, wie sie es in der Hochsaison sein muss. Viele Restaurants und Tourenanbieter hatten bereits geschlossen, und die Einwohner Jaisalmers konzentrierten sich mehr auf ihren Alltag denn darauf, Touristen unnütze Souvenirs anzudrehen.

Das Fort von Jaisalmer wird heute noch bewohnt - ein lebendiges Denkmal und nicht nur ein für Anschauungszwecke konserviertes Relikt. Die schmalen Gassen zwischen sandsteingelben Gebäuden bieten Schutz vor der unerbittlichen Sonne, hinter jeder Ecke wartet eine kleine Überraschung: ein Jahrhunderte alter Tempel, eine kunstvoll ausgearbeitete Hausfront oder der Blick über die Stadtmauern hinweg in die weiten Ebenen der Thar-Wüste, die uns hier noch vom Nachbarn Pakistan trennt.

In eben diese Wüste begaben wir uns am nächsten Tag. Ein Jeep brachte uns aus der Stadt hinaus zu dem Punkt, an dem wir auf unser eigentliches Fortbewegungsmittel umsteigen sollten: Kamele! Die Tiere saßen am Straßenrand im Sand und warteten auf uns. Schon in dieser Position war zu erahnen, wie groß so ein Kamel tatsächlich ist, denn der Sitz befand sich in etwa auf Höhe meines Bauchnabels, und der Aufstieg muss dementsprechend wenig damenhaft gewirkt haben :-)
Kaum saß ich im Sattel, begann das Tier, sich aufzurichten. Zunächst streckte es seine Hinterbeine, wodurch der Rücken, auf dem ich mich nun panisch am Rand des Sattels festzuklammern versuchte, in erhebliche Schieflage geriet. Dann folgten mit Schwung die Vorderbeine, was zwar mit heftigem Gewackel verbunden war, mich aber zumindest wieder in eine halbwegs aufrechte Position zurückbrachte!

Nachdem ich mich an den schaukelnden Gang des Kamels gewöhnt hatte, begann ich diesen Ausflug dann aber doch zu genießen. Langsam überquerten wir sandige Dünen und Ebenen voller Dornenbüsche, und ich genoss die Stille in meinen Ohren und den Wind in meinem Haar. Viel zu bald erreichten wir den Platz, an dem wir die Nacht verbringen würden, eine Ebene am Rande eines Dünenfeldes. Unser Kamelführer Ali begann mit der Vorbereitung des Abendessens und erzählte ein wenig aus seinem Leben. Mit gerade einmal zehn Jahren hat er begonnen, Kamelsafaris zu begleiten, seit seinem fünfzehnten Lebensjahr als Kamelführer. Heute, mit 25, träumt er davon, sein eigenes Kamel zu erwerben, nur noch wenige tausend Rupien trennen ihn von diesem Ziel. Nach dem Abendessen, mit einfachsten Mitteln über dem offenen Feuer gekocht, spazierten wir die Dünen hinauf, um einen Blick auf den Sternenhimmel zu werfen, der über uns leuchtete. Wir unterhielten uns so gut, dass wir gar nicht bemerkten, wie Wolken aufzogen, erst ein kräftiger Windstoß, der uns den Sand in die Augen blies, trieb uns zurück in die Ebene. Dort machten wir es uns in unseren viel zu kurzen Feldbetten gemütlich und schliefen unter freiem Himmel.

Der nächste Tag ähnelte seinem Vorgänger, auf dem Rücken unserer Kamele streiften wir durch die Wüste. Wir sahen zu, wie unsere Kamelführer Wasser mühevoll aus einem tiefen Brunnen schöpften und passierten ein Wüstendorf, in dem die Frauen große Töpfe auf ihren Köpfen balancierten. Als wir gegen Mittag dann unser Ziel erreichten, ein schattiges Plätzchen zwischen Büschen voller Pfauen, war ich aber doch ganz froh, von meinem Kamel heruntersteigen zu dürfen - Beine und Rücken schmerzten von der ungewohnten Sitzhaltung. ;-) Nach einem Nickerchen und einem würzigen Mittagessen ging es schließlich zurück in die Stadt. Ein toller Ausflug!

Freitag, 16. Mai 2014

Stahlseil mit Aussicht

Hallo liebe Leser,

Unsere Abreise aus Jaipur gestaltete sich weniger einfach als erwartet, unser Zug hatte nämlich fünf Stunden Verspätung. Dadurch verzögerte sich unsere Ankunft in Jodhpur bis tief in die Nacht. Erst gegen 22:30 Uhr erreichten wir unser Hostel, welches - allen positiven Bewertungen im Internet zum Trotz - das wohl schmutzigste Badezimmer unserer Reise aufwies. :-( Doch so spät in der Nacht wollten wir nicht mehr umziehen. Aufgrund der späten Uhrzeit musste auch das Abendessen entfallen.

Am nächsten Morgen wollten wir das mit einem ordentlichen Frühstück wettmachen. Doch da die Reisezeit hier in Rajasthan schon so gut wie vorbei ist, hatten viele Restaurants bereits geschlossen. So blieb uns für unser Frühstück nur eine Empfehlung aus dem Lonely Planet: Vicky Chouhan's Omelette Shop. Der winzige Stand bietet nur ein einziges Gericht: Omelettes in allen Variationen. Das war zwar nicht unbedingt, was wir uns vorgestellt hatten, doch immerhin war das Essen gut und sättigend, so dass wir anschließend mit dem Sightseeing beginnen konnten.

Jodhpur hat, wie so viele indische Städte, ein großes Fort über der Stadt zu bieten. Nachdem wir schon so viele ähnliche Gebäude gesehen hatten, überlegten wir kurz, gar nicht erst hinaufzugehen - ein Glück, dass wir es doch getan haben! Von allen Forts war Mehrangarh das schönste, mit reich verzierten Sandsteinmauern und einer atemberaubenden Aussicht über die "blaue Stadt"!

Auf dem Gelände des Forts gibt es auch eine "Flying Fox" genannte Attraktion - sechs lange Seilbahnen durchziehen das Gelände, die man ähnlich wie in einem Hochseilgarten hinabrasen kann. Mit einem wundervollen Blick über die Stadt natürlich!

Das wollte ich unbedingt erleben, doch vor der ersten Seilrutsche rutsche mir dann doch das Herz in die Hose. Bestimmt fünfzig Meter lang war das Seil, es führte über Bäume und Abhänge hinweg zu einem anderen Teilstück des Forts. Doch nachdem sich ein junges indisches Mädchen ohne jedes Zögern in das Abenteuer gestürzt hatte, wollte ich nicht als Feigling dastehen. Also Augen zu und durch! In dem Moment, in dem meine Füße den sicheren Grund verließen, war mir ganz schön mulmig zumute, doch als ich die tolle Aussicht auf die leuchtend blauen Häuser der Altstadt bemerkte, begann ich die Sache zu genießen! Die verbleibenden fünf Seilrutschen waren dann nur noch ein Riesenspaß ;-)

So hat sich eine Stadt, die auf den ersten Blick wenig spannend erschien und die wir eher als einen kurzen Zwischenstopp auf einer langen Fahrt in Richtung Westen angesehen hatten, als einer der nettesten Orte unserer Tage in Indien entpuppt!

Montag, 12. Mai 2014

Jaipur - Stadt der Grapscher

Hallo liebe Leser, nach ein paar anstrengenden, aber auch sehr schoenen Tagen in Delhi sind wir am Samstag am fruehen Morgen mit dem Zug nach Jaipur gefahren, unserem ersten Ziel im Wuestenstaat Rajasthan. Schon auf der Fahrt hierher konnten wir durchs Fenster beobachten, wie die Landschaft draussen immer trockener und sandiger wurde. Ueberraschenderweise ist es hier aber zumindest nicht heisser als in Indiens Hauptstadt :-) Jaipur ist auch unter dem Namen "Pink City" bekannt. Grund hierfuer ist moeglicherweise der Besuch des Prince of Wales im Jahre 1876, anlaesslich dessen der Maharaja wohl veranlasste, dass die gesamte Altstadt pink angestrichen werden sollte, vielleicht aber auch nur der roetliche Sandstein, aus dem Teile der Stadt erbaut wurden. In unseren Augen sind die Haeuser zwar eher hellbraun als schweinchenrosa, aber wir wollen mal nicht so pingelig sein. :-) Beruehmt ist Jaipur fuer die vielen alten Bauten aus der Zeit der Maharajas wie den Stadtpalast oder das Nahagarh Fort. Diese sind zweifellos alle schoen anzusehen, doch mit den praechtigen Gebaeuden in Agra koennen sie nicht so ganz mithalten. Doch nicht nur deswegen gefaellt uns Jaipur aber nicht ganz so gut wie andere Staedte hier in Indien - aus irgendeinem Grund machen sich die Leute hier in Jaipur einen Spass daraus, mich als offensichtliche Auslaenderin zu begrapschen... und das finde ich nun gar nicht lustig :-( Meistens ist es zum Glueck eher harmlos, doch zwei Mal habe ich mich wirklich geaergert. Das erste Mal war es eine junge indische Frau, die mich - aus heiterem Himmel - im Vorbeigehen mit aller Kraft in den Unterarm zwickte. Habt ihr eine Idee, was sie damit bezwecken wollte? Also ich nicht. Noch viel mehr habe ich mich allerdings geaergert, als ein frecher indischer Junge heute meinte, mir ans Dekolleté fassen zu muessen. Wohl um seinen Kumpels etwas zu beweisen, doch der Schuss ging nach hinten los! Ich habe ihn mir geschnappt und ihm eine ordentliche Standpauke gehalten. Hoffentlich war es ihm zumindest ein bisschen peinlich, vor seinen Kumpels zusammengestaucht zu werden :-) So kommt es, dass wir uns freuen, wenn es morgen weitergeht nach Jodhpur. Drueckt mir die Daumen, dass die Leute dort etwas zurueckhaltender sind! :-)

Mittwoch, 7. Mai 2014

Ich versteh nur Bollywood

Guten Abend liebe Leser!

Nach neun wunderbar erholsamen Tagen im Anand Prakash Ashram in Rishikesh sind wir vorgestern spät abends in Delhi angekommen. Der Unterschied könnte größer kaum sein. Hier (für indische Verhältnisse) idyllische Ruhe, Yoga, Meditation und Entspannung, dort Menschenmassen, Lärm und zahllose Touristenschlepper :-)

Dennoch gefällt uns Delhi überraschend gut. Ich kann mich nicht erinnern, auf unserer Reise eine vielfältigere Stadt gesehen zu haben als diese! Da wäre zum einen Old Delhi mit seinen imposanten kulturellen Relikten wie dem Roten Fort.

Auch wenn dieses bestenfalls ein bescheidener Verwandter des beeindruckenden Forts in Agra ist, so zeugt es doch von der historischen Bedeutung dieser Stadt. Dann gibt es das Regierungsviertel in New Delhi mit den britischen Prachtbauten und seinen schnurgeraden, baumgesäumten Straßen. Errichtet um die Macht der Briten über den indischen Subkontinent zu demonstrieren, dient es nun schon viel länger den Indern als seinen Erbauern.
Modernes Herz dieser kosmopolitischen Stadt wiederum bildet der in Segmente zerteilte Connaught Place mit seinen internationalen Geschäften, sündhaft teuren Restaurants und noch teureren Bars.

Nur eins ist in allen Vierteln gleich - es ist heiß. Unerträglich heiß. Bei über 40 Grad lief uns der Schweiß in Bächen die Rücken hinab, und so entflohen wir heute Nachmittag der drückenden Hitze für ein paar Stunden in die verlockende, dunkle Kühle eines Kinosaals.

Natürlich sollte es ein indischer Film sein, und die Auswahl fiel auch nicht schwer - in allen Kinos lief dieselbe Produktion: 2 States. Zwar nur auf Hindu ohne englische Untertitel, doch das war kein Problem. Die Handlung lässt sich ohnehin auf einem Post-it umfassend beschreiben: ein junges Paar lernt sich an der Universität kennen und lieben, doch die kulturellen Unterschiede ihrer Familien (er aus Punjabi im Norden, sie aus Tamil Nadu im Süden) stehen ihrer gemeinsamen Zukunft im Weg. Mit Geschick und Glück überzeugen sie jedoch zuerst die eine, dann die andere Seite, dass sie zusammen gehören, und feiern am Ende eine rauschende Hochzeit.

Spannend für uns war jedoch, wie viel dieser Film über die indische Gesellschaft und ihre Gedankenwelt aussagt. Sei es der nordindische Patriarch, der Frau wie Sohn mit Ohrfeigen auf den richtigen Weg zu bringen versucht oder der Versuch der südindischen Eltern, die Heirat ihrer Tochter mit einem angemessenen Ehegatten zu arrangieren - die Unterschiede zu unseren kulturellen Vorstellungen wurden uns geradezu auf dem Silbertablett serviert. Damit es auch ja nicht langweilig wurde, garniert mit den typischen Bollywood-Tanzeinlagen zu jeder passenden (und unpassenden) Gelegenheit. Wer wissen möchte, wie Indien tickt, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen!