Guten Morgen liebe Leser,
Das kleine Städtchen Jaisalmer markiert den westlichsten Punkt der Bahnstrecke, die von Delhi aus den Bundesstaat Rajasthan durchquert. Mitten in der Wüste gelegen und von einem weiteren massiven Fort aus vergangenen Zeiten gekrönt, gäbe es eigentlich keinen Grund hierherzukommen, wären findige Geschäftsleute nicht auf die Idee gekommen, Touristen einen kleinen Einblick in das Leben in der Wüste zu geben.
Dank der enormen Hitze von vierzig Grad und mehr waren jetzt im Mai allerdings nur wenige Touristen auf den Straßen zu sehen - ein Glück, den so wirkte die Stadt lange nicht so überlaufen, wie sie es in der Hochsaison sein muss. Viele Restaurants und Tourenanbieter hatten bereits geschlossen, und die Einwohner Jaisalmers konzentrierten sich mehr auf ihren Alltag denn darauf, Touristen unnütze Souvenirs anzudrehen.
Das Fort von Jaisalmer wird heute noch bewohnt - ein lebendiges Denkmal und nicht nur ein für Anschauungszwecke konserviertes Relikt. Die schmalen Gassen zwischen sandsteingelben Gebäuden bieten Schutz vor der unerbittlichen Sonne, hinter jeder Ecke wartet eine kleine Überraschung: ein Jahrhunderte alter Tempel, eine kunstvoll ausgearbeitete Hausfront oder der Blick über die Stadtmauern hinweg in die weiten Ebenen der Thar-Wüste, die uns hier noch vom Nachbarn Pakistan trennt.
In eben diese Wüste begaben wir uns am nächsten Tag. Ein Jeep brachte uns aus der Stadt hinaus zu dem Punkt, an dem wir auf unser eigentliches Fortbewegungsmittel umsteigen sollten: Kamele! Die Tiere saßen am Straßenrand im Sand und warteten auf uns. Schon in dieser Position war zu erahnen, wie groß so ein Kamel tatsächlich ist, denn der Sitz befand sich in etwa auf Höhe meines Bauchnabels, und der Aufstieg muss dementsprechend wenig damenhaft gewirkt haben :-)
Kaum saß ich im Sattel, begann das Tier, sich aufzurichten. Zunächst streckte es seine Hinterbeine, wodurch der Rücken, auf dem ich mich nun panisch am Rand des Sattels festzuklammern versuchte, in erhebliche Schieflage geriet. Dann folgten mit Schwung die Vorderbeine, was zwar mit heftigem Gewackel verbunden war, mich aber zumindest wieder in eine halbwegs aufrechte Position zurückbrachte!
Nachdem ich mich an den schaukelnden Gang des Kamels gewöhnt hatte, begann ich diesen Ausflug dann aber doch zu genießen. Langsam überquerten wir sandige Dünen und Ebenen voller Dornenbüsche, und ich genoss die Stille in meinen Ohren und den Wind in meinem Haar. Viel zu bald erreichten wir den Platz, an dem wir die Nacht verbringen würden, eine Ebene am Rande eines Dünenfeldes. Unser Kamelführer Ali begann mit der Vorbereitung des Abendessens und erzählte ein wenig aus seinem Leben. Mit gerade einmal zehn Jahren hat er begonnen, Kamelsafaris zu begleiten, seit seinem fünfzehnten Lebensjahr als Kamelführer. Heute, mit 25, träumt er davon, sein eigenes Kamel zu erwerben, nur noch wenige tausend Rupien trennen ihn von diesem Ziel. Nach dem Abendessen, mit einfachsten Mitteln über dem offenen Feuer gekocht, spazierten wir die Dünen hinauf, um einen Blick auf den Sternenhimmel zu werfen, der über uns leuchtete. Wir unterhielten uns so gut, dass wir gar nicht bemerkten, wie Wolken aufzogen, erst ein kräftiger Windstoß, der uns den Sand in die Augen blies, trieb uns zurück in die Ebene. Dort machten wir es uns in unseren viel zu kurzen Feldbetten gemütlich und schliefen unter freiem Himmel.
Der nächste Tag ähnelte seinem Vorgänger, auf dem Rücken unserer Kamele streiften wir durch die Wüste. Wir sahen zu, wie unsere Kamelführer Wasser mühevoll aus einem tiefen Brunnen schöpften und passierten ein Wüstendorf, in dem die Frauen große Töpfe auf ihren Köpfen balancierten. Als wir gegen Mittag dann unser Ziel erreichten, ein schattiges Plätzchen zwischen Büschen voller Pfauen, war ich aber doch ganz froh, von meinem Kamel heruntersteigen zu dürfen - Beine und Rücken schmerzten von der ungewohnten Sitzhaltung. ;-) Nach einem Nickerchen und einem würzigen Mittagessen ging es schließlich zurück in die Stadt. Ein toller Ausflug!
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