Mittwoch, 30. April 2014

Ashram fuer Anfaenger

Namaste liebe Leser! Seit ein paar Tagen sind wir nun schon in einem Ort namens Rishikesh, ziemlich weit im Norden Indiens. Seitdem die Beatles hier vor einigen Jahrzehnten auf der Suche nach Inspiration ein paar Wochen verbracht haben, hat sich dieser Ort zur "Welthauptstadt des Yoga" entwickelt (zumindest behauptet er das von sich selbst). Ueberall ueber den Ort verteilt findet man sogenannte Ashrams, in denen man sich ganz den Lehren von Yoga, Ayurveda und Meditation widmen kann. Wir zaehlen uns zwar sonst nicht unbedingt zur spirituellen Sorte, aber das wollten wir dann doch mal ausprobieren :-) Vor vier Tagen sind wir also in den Anand Prakash Yoga Ashram gezogen.
Hier beginnen unsere Tage sehr frueh, bereits um fuenf Uhr morgens werden wir vom Glockenlaeuten geweckt. Nach einer kurzen Morgentoilette machen wir uns auf den Weg in die Yogahalle, wo wir bis zum Beginn unserer ersten Yogastunde meditieren duerfen. Die Stimme unseres Yogalehrers holt uns dann zurueck in die Gegenwart, und fuer zwei Stunden beschaeftigen wir uns mit den unterschiedlichsten Yogapositionen. Yoga ist hier in Indien allerdings schon ein bisschen anders als zu Hause in Deutschland: es wird sehr viel Wert auf die korrekte Atmung gelegt. Mal muessen wir dabei die Zunge herausstrecken, mal zwischen den Zaehnen hindurch die Luft einsaugen - ich wusste gar nicht, auf wie viele verschiedene Arten man atmen kann!
Nach zwei Stunden Yoga folgt dann die erste Mahlzeit des Tages, die fuer unsere westeuropaeischen Gaumen manchmal allerdings etwas gewoehnungsbeduerftig ausfaellt. Oder habt ihr schon mal Reis mit Erbsen oder gewuerzte Kichererbsen gefruehstuckt? :-) Anschliessen versammeln wir uns alle an der Feuerstelle fuer ein hinduistisches Ritual namens "Fire Puja" (in etwa "Feuergebet"), bei dem dem Feuer verschiedene Opfergaben (Wasser, Ghee, etc.) dargereicht werden. Auch wenn wir vielleicht nicht so ganz daran glauben, so ist es doch ein schoenes Ritual und ein schoener Start in den Tag. Der Vormittag steht uns anschliessend zur freien Verfuegung, wir verbringen ihn oft mit kleinen Erledigungen, weil es spaetestens um die Mittagszeit herum unfassbar heiss wird und man am liebsten nur noch drinnen sein moechte! Mittagessen gibt es um 12:30 Uhr, es besteht immer aus Chapati, Reis, einem Bohnen- oder Linsengericht und einem Gemuesecurry. Den Nachmittag verbringen wir meist in unserem Zimmer, weil es einfach der kuehlste Ort im ganzen Ashram ist! Puenktlich um 16 Uhr folgt dann die zweite Runde Yoga, diesmal mit einer anderen Lehrerin und einem anderen Schwerpunkt. Waehrend die morgendliche Yogastunde eher ruhig ablaeuft, folgen nachmittags deutlich anstrengendere Uebungen. Im Anschluss daran folgt das Abendessen, das meist aehnlich aufgebaut ist wie das Mittagessen.
Zweimal in der Woche folgt um 19 Uhr noch das sogenannte Kiirtan. Im Prinzip eine Art gemeinschaftliches rhythmisches Singen, begleitet von Trommeln. Das macht uns beiden erstaunlich viel Spass! Um neun Uhr abends beginnt dann die stille Zeit im Ashram: bis nach dem Fruehstueck am naechsten Morgen darf nicht mehr gesprochen werden. Das war am Anfang sehr ungewohnt, ist mittlerweile aber einfach Bestandteil des Tagesablaufs geworden. Ueberhaupt ist es ueberraschend, wie schnell man sich in diese aussergewoehnliche Umgebung eingewoehnen kann. Kein Fleisch, kein Alkohol, keine Schokolade, dafuer jeden Tag um fuenf Uhr aufstehen und vier Stunden Yoga - wer haette gedacht, dass das Spass machen kann? Und doch fuehlen wir uns hier so wohl, dass wir deutlich laenger bleiben werden als die drei Tage Mindestaufenthalt, die das Ashram vorgibt!

Dienstag, 29. April 2014

Agra - Stadt der Weltkulturerbestaetten

Guten Morgen liebe Leser, Agra ist in der ganzen Welt bekannt als Heimat des Taj Mahals, steinernes Symbol ewiger Liebe. Was ich bisher allerdings nicht wusste: neben dem Taj Mahal gibt es in dieser Stadt noch zwei weitere Weltkulturerbestaeten, naemlich Agra Fort und Fatehpur Sikri. Zeit genug haten wir, also entschieden wir, alle drei zu besichtigen. Agra Fort Am Tag unserer Ankunft in Agra, nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf, um uns von der Zugfahrt zu erholen, machten wir uns auf den Weg zu dem grossen roten Sandsteinfort, das wir schon vom Zug aus gesehen hatten. Im sechzehnten Jahrhundert erbaut, dient es noch heute dem indischen Militaer als Standpunkt, doch ein Teil der alten Gebaeude ist dennoch Touristen zugaenglich. Fuer wenig Geld liehen wir uns einen Audioguide, der uns ein wenig in die Geschichte des Gebaeudes einfuehren sollte. Die Details dazu will ich hier nicht genauer ausfuehren, wer sich dafuer interessiert, findet bestimmt alles auf Wikipedia :-)
Nur soviel: das Fort ist, wie es damals ueblich war, eine Ansamlung ineinander verschachtelter Gebaeude und Palaeste, die immer prunkvoller und schoener werden, je naeher man den frueheren Wohnraeumen der Mogulherrscher kommt. Schliesslich erreicht man die Terrasse, von der aus Grossmogul Shah Jahan in seinen letzten Lebensjahren als Gefangener das kostbare Grabmal, das er einer seiner Frauen erbauen liess, nur noch aus der Ferne bewundern durfte. Ihr habt es sicher schon erraten, es handelt sich um das beruehmte Taj Mahal, welches man von hier aus sehen kann.
Taj Mahal Am naechsten Tag standen wir besonders frueh auf, um das beruehmteste Gebaeude Indiens noch vor den grossen Touristenmassen besichtigen zu koennen. Jeder von euch hat wahrscheinlich schon hunderte Bilder des Taj Mahals gesehen. Wir natuerlich auch. Doch kein Bild,das ich bisher gesehen habe, wird der Schoenheit und Anmut dieses Gebaeudes auch nur annaehernd gerecht. Kein Bild faengt das Schimmern des Marmors in der Morgensonne so ein, wie wir es vor Ort erleben durften,kein Bild wird der allgegenwaertigen Symmetrie gerecht, die das Auge immer wieder von Neuem einfaengt. Wir beide wurden nicht muede, das Taj Mahal aus immer neuen Blickwinkeln zu betrachten, mal ganz nah heranzugehen, bis man die einzelnen Steine erkennt, und dann wieder zurueckzutreten, um es in seiner Gaenze erblicken zu koennen.
Als Symbol ewiger Liebe ueber den Tod hinaus ist dieses atemberaubende Gebaeude in der Welt bekannt geworden. Kein Zweifel, ein schoeneres, perfekteres Grabmal kann es nicht geben als dieses. Doch der groesste Beweis der Liebe Shah Jahans zu seiner Mumtaz Mahal ist das Einzige, was die Perfektion des Gebaeudes durchbricht: Der Sarkophag Shah Jahans, der ein wenig seitlich neben dem seiner Frau im Innersten des Grabmals eingefuegt wurde. In einem Gebaeude, welches von Kopf bis Fuss auf Symmetrie geeicht ist, wirkt er seltsam deplatziert. Doch kann es einen schoeneren Beweis fuer die Liebe der beiden geben als den, dass er dennoch hier gemeinsam mit ihr auf die Ewigkeit wartet?
Fatehpur Sikri An unserem dritten Tag in Agra folgte die dritte Weltkulturerbestaette. Fatehpur Sikri,im 16. Jahrhundert fuer wenige Jahre Hauptstadt des Mogulenreichs, liegt etwa 40 Kilometer ausserhalb der Stadt, ist jedoch mit dem Bus leicht zu erreichen. Der unschlagbare Vorteil der abseitigen Lage: es tummeln sich dort viel weniger Touristen als in Agra! Bei unserer Erkundung der alten Gebaeude, die zwar erstaunlich gut erhalten sind, ueber deren Funktion man aber dennoch nur sehr wenig weiss, konnten wir uns jedenfalls in aller Ruhe umschauen. Nur beim abschliessenden Besuch der dazugehoerigen Moschee verfolgten uns einige sehr aufdringliche Touristenschlepper. Dennoch koennen wir nur jedem raten, auch dieses Denkmal aus der Zeit der Mogule zu besichtigen, wenn es die Zeit zulaesst!

Samstag, 26. April 2014

Im Nachtzug nach Agra

Hallo noch einmal, das Reisen mit dem Zug ist, da gibt es wohl kaum einen Zweifel, die schoenste Art und Weise, wie man sich in Indien fortbewegen kann. Wer schon einmal in einem der blauen Personenzuege am Fenster gesessen hat, waehrend der Fahrtwind einem die Haare ins Gesicht weht und der Blick ueber die endlosen Weiten dieses Kontinents schweift, wird das bestaetigen koennen. Weniger romantisch-idyllisch ist es dagegen, Tickets fuer die besagten Zuege zu kaufen, denn die Nachfrage uebersteigt fast immer das Angebot. Zunaechst einmal werden die verfuegbaren Tickets in unterschiedliche Quoten aufgeteilt: general tickets (fuer jedermann), Tickets fuer Frauen, Tickets fuer Notfaelle (erst am Vortag zu erwerben), Tickets fuer auslaendische Touristen, und und und. Manche davon kann man nur am Schalter kaufen (Touritickets zum Beispiel), andere auch online. Onlinebuchungen sind grundsaetzlich eine tolle Sache, doch ist das System nicht besonders fortschrittlich. Nur in den Morgen- und Abendstunden ist es uns bislang ueberhaupt gelungen, uns einzuloggen, sonst bricht das System schon beim Login zusammen. Selbst wenn man sich dann erfolgreich durch die unzaehligen Reservierungsschritte gelickt hat und der Zug noch nicht ausverkauft sein sollte, stellt die Bezahlung der Tickets mit Kreditkarte eine nahezu unueberwindbare Huerde dar. Oft braucht es zahlreiche Versuche, bis die Zahlung akzeptiert wird. Besonders aergerlich: bei jedem Fehlversuch muss man komplett wieder von vorne anfangen mit der Eingabe aller Daten, und alle paar MInuten wird man auch noch wegen Zeitueberschreitung aus dem System geworfen und muss sich neu einloggen. Da kann man schon mal ausrasten! :-) Doch irgendwann ist es uns tatsaechlich geglueckt und wir hielten die Tickets fuer die dreizehnstuendige Fahrt von Varanasi nach Agra in unseren Haenden. Fuer die etwa 650 Kilometer braucht der Zug laut Fahrplan etwa 13 Stunden, Abfahrt war um 17:20 Uhr. Gerne haetten wir einen der teureren, klimatisierten Wagen gebucht, doch diese waren bereits ausverkauft gewesen, also fanden wir uns in der unklimatisierten Sleeper-Class wieder. Die Waggons sind in offene Abteile unterteilt, in denen sich jeweils sechs Betten befinden: drei an jeder Seite. Das mittlere kann heruntergeklappt werden, damit man tagsueber bequem sitzen kann. Gegenueber eines jeden Abteils befinden sich noch einmal zwei Betten. Besonders komfortabel sind die Liegen natuerlich nicht, und fuer Boernis Koerpergroesse auch deutlich zu kurz. Aber bei den unfassbar guenstigen Preisen (Varanasi - Agra fuer weniger als vier Euro pro Person) kann man wirklich nicht meckern! :-) Zufaelligerweise teilten wir uns auf der Fahrt nach Agra unser Abteil mit zwei Kanadiern, die ebenfalls auf Weltreise waren. Da gab es natuerlich viel zu erzaehlen und Erfahrungen auszutauschen. Spaeter kamen noch zwei Argentinier dazu. Auf den Betten gegenueber von unserem Abteil hatten es sich einige indische Soldaten gemuetlich gemacht. Die ersten Stundne verbrachten wir mit Gespraechen und lesen, spaeter klappten wir die Betten auf und legten uns hin. Vielleicht gehoert ihr ja zu den Gluecklichen, die immer und ueberall schlafen koennen. Dann haettet ihr in diesem Zug sicher eine wundervolle Nacht verbracht. Ich gehoere leider nicht dazu. Zunaechst einmal fand ich es ziemlich irritierend, beim Versuch zu schlafen kontinuierlich von den indischen Herren gegenueber angestarrt zu werden. Anders als wir Europaer denken sich die Leute hier naemlich nichts dabei, einen minutenlang anzustarren. Normalerweise ist das auch kein Problem fuer mich (ich starre dann einfach zurueck :-) ), aber beim Einschlafen hat es mich dann doch ganz schoen gestoert. Kaum war ich endlich weggedoest, wurde ich auch schon wieder geweckt. Eine indische Grossfamilie war zugestiegen und versuchte, ihr ueppiges Gepaeck zu verstauen. Aber nicht unter bzw. auf ihren eigenen Liegen, sondern zwischen unseren Fuessen auf unseren Liegen! Es war gar nicht so einfach, ihnen das auszureden :-) Danach war es mit dem Schlafen fuer mich erstmal vorbei, stattdessen hoerte ich ein bisschen Musik und liess meine Gedanken schweifen. Ungestoert geblieben waere mein Schlaf ohnehin nicht: Zusteigende Passagiere benutzten meine Fuesse gern mal als Haltegriffe auf dem Weg zu ihrem Platz, immer wieder entbrannten lautstarke Diskussionen um die Sitz- bzw. Schlafplaetze und einer der Soldaten gegenueber liess sich nicht davon abbringen, seine Fuesse auf meine Pritsche zu legen. Erst gegen zwei Uhr morgens wurde es ruhiger, und auch ich fand endlich ein bisschen Schlaf, bis der Wecker um halb sechs klingelte. Bis wir dann tatsaechlich Agra erreichten, dauerte es noch eine ganze Weile, vor allem auch deshalb, weil die Zuege hier in Indien haeufig stundenlang auf offener Strecke warten muessen, bis ein entgegenkommender Zug eine Engstelle passiert hat. Erst dann geht es weiter. All das macht das Zugfahren in Indien natuerlich ein wenig beschwerlich, aber auch so unglaublich interessant! Selten haben wir sonst die Gelegenheit, indische Familien so genau in ihrem Alltag zu beobachten, seien es diejenigen, die mit uns im Zug sitzen, oder diejenigen, deren Alltag sich vor den offenen Fenstern abspielt. Nur im Zug habe ich das Gefuehl, einen Eindruck von der Groesse und Vielfalt dieses wunderschoenen Landes zu bekommen.

Varanasi

Hallo liebe Leser, unser erstes Ziel auf dem indischen Subkontinent war, wie schon im letzten Post angedeutet, Varanasi, die wohl heiligste Stadt der Hindus. Unterkunft fanden wir in einem kleinen Guesthouse mitten im Gewirr der engen Gassen der Altstadt. Um ueberhaupt zum Eingang zu gelangen, mussten wir mitten durch einen kleinen Tempel hindurch, doch das schien - ausser uns - niemanden zu wundern. Waren wir am ersten Tag noch ueberzeugt, uns in dieser Stadt niemals zurechtzufinden, so entdeckten wir doch recht schnell, dass es vom Guesthouse nur wenige Meter waren bis zum Ganges, der als "Mutter Ganga" hier als Gottheit verehrt und dessen Ufer Schauplatz allerlei religioeser (und ebensovieler profaner) Handlungen ist. Jeden Tag um 19 Uhr findet hier zum Beispiel die "ganga aarti", die Anbetung des Ganges statt. Diese Zeremonie beinhaltet allerlei Glockengelaeut, Weihrauch und Feuer, und zieht Abend fuer Abend hunderte Pilger ans Ufer. Fuer uns als Aussenstehende war es mindestens genauso interessant, die Pilger zu beobachten wie die Zeremonie selbst: fuer eine kleine Spende konnte man Blumenketten fuer den Hausaltar oder ein Tilaka (das rote Segenszeichen auf der Stirn) erwerben.
Wenige hundert Meter weiter kann man Zeuge einer sehr viel ernsteren Facette des Hinduismus werden: wer in Varanasi stirbt und dann am Ufer des Ganges verbrannt wird, entflieht dem ewigen Zyklus aus Tod und Wiedergeburt, so glaubt man. Bis zu 200 Tote werden daher tagtaeglich am Manikarnika Ghat am Ufer des Ganges verbrannt - in aller Oeffentlichkeit. Es ist schon unheimlich genug, wenn man den Prozessionen mit den aufgebahrten Leichnamen innerhalb der Stadt begegnet, doch diese sehr oeffentliche Form der Feuerbestattung kam uns sehr fremd vor. Nicht zuletzt wohl auch deswegen, weil sich niemand daran stoerte, dass die heiligen Kuehe munter zwischen den brennenden Leichnamen herumspazierten und genuesslich die geopferten Blumenketten frassen.
Wer diese Welt noch nicht verlassen moechte, kommt nach Varanasi, um sich mit einem Bad im Ganges von allen Suenden reinzuwaschen. Suenden mag man in seinen Fluten verlieren, doch sauberer wird man bei einem Bad im Ganges wohl kaum. In der schmutziggrauen Bruehe baden neben Menschen auch Kuehe, stinkender Dreck sammelt sich an den Ufern, und zahlreiche Kohlestueckchen wecken den Verdacht, dass die Ueberreste der Feuerbestattungen ebenfalls in diesen Wassern landen. Wir haben dann doch lieber auf diesen zweifelhaften Genuss verzichtet.
Kurzum: Varanasi ist eine Stadt, in der die Religion so allgegenwaertig ist wie das ansonsten vielleicht nur noch in Rom oder Mekka der Fall sein wird. Wohin man auch blickt, ueberall erwarten einen Zeugnisse des Hinduismus, als Tourist ist man nur eine Minderheit unter den zahllosen religioesen Pilgern, die in diese Stadt kommen. Einen spannenderen Ort haetten wir uns als unseren ersten Stopp in Indien vermutlich nicht aussuchen koennen!

Sonntag, 20. April 2014

Indien

Guten Morgen liebe Leser,

bitte verzeiht mir, dass ich so lange nichts habe von mir hören lassen. Doch Indien hat mir einfach die Sprache verschlagen! Seit bald einer Woche halten wir uns in diesem einzigartigen Land auf, doch mir fehlen einfach die Worte, meine Eindrücke treffend zu beschreiben. Trotzdem will ich es heute versuchen. :-)

Wir sind gerade in Varanasi, der heiligsten Stadt Indiens. Wer hier stirbt, so glauben die Hindus, wird vom ewigen Zyklus von Tod und Wiedergeburt erlöst. Ein ganz besonderer Ort also, selbst für indische Verhältnisse.

Unsere Ankunft hier erfolgte nach einer scheinbar endlosen Reise mit Bus, Jeep und Zug und einer schlaflosen Nacht in Gorakhpur, in einem Zimmer voller Kakerlaken. Umso schwerer viel es uns, die Eindrücke zu verarbeiten, die auf diesem Ort auf uns einprasselten. Die Altstadt von Varanasi ist ein Gewirr schmaler Gassen, durch die sich Pilger, Einheimische, Touristen und Tiere gleichermaßen drängen. Nicht nur die heiligen Kühe sind allgegenwärtig, auch Ziegen und Hunde bevölkern die Wege. Es gilt, Vorsicht walten zu lassen bei der Wahl der nächsten Schritte, die Hinterlassenschaften der tierischen Bewohner sind eine allgegenwärtige Gefahr für die Sauberkeit unserer Schuhe. Auch Mülleimer sucht man vergeblich, was man nicht mehr braucht, wirft man einfach auf den Boden. Die Fliegen freuen sich. Falls die Männer, die mit Schaufel und Karren nachts die Straßen säubern, jemals streiken sollten, versinkt diese Stadt binnen Tagen im Dreck!

Interessanter noch als der Anblick der Gassen ist jedoch die Geruchswelt, die uns unmittelbar nach unserer Ankunft umfängt. Noch nie habe ich so viele verschiedene Gerüche auf so engem Raum erlebt wie hier. Riecht es an einer Straßenecke noch so köstlich nach würzigem Masalatee, keine zehn Meter weiter wird dieser Duft vom strengen Geruch der Kuhfladen abgelöst. Hinter der nächsten Ecke duften die Blumen, die einen kleinen Tempel zieren. Nie weiß die Nase, worauf sie sich einstellen soll.

Und dieser Lärm! "Der Inder hat keine Ohren", hatte uns ein Bekannter in Nepal gewarnt. Muhende Kühe unterm Fenster, laute Bollywood-Musik um Mitternacht, dazu die unzähligen Schlepper, die uns zu Bootstouren, Hosenkäufen, Drogenexperimenten und was weiß ich noch allem überreden wollen.

Kurzum: Indien ist ein Land, dass uns vollkommen fordert, manchmal sogar überfordert. Doch wenn man sich erst einmal an den unglaublichen Trubel gewöhnt hat, beginnt man auch, die Schönheit dieses Landes zu sehen: die leuchtend bunten Saris und Punjabis der indischen Frauen, die fröhlich grüßenden Kinder, die Spiritualität, die hier im Alltag einen ganz anderen Stellenwert einnimmt als bei uns. Man sagt, Indien könne man nur lieben oder hassen. Ich glaube, ich bin verliebt.

Dienstag, 15. April 2014

Chitwan National Park - das andere Nepal

Hallo noch einmal,

Nach fünf Tagen in Kathmandu, die wir hauptsächlich damit verbracht haben, unsere nächsten Reiseabschnitte zu planen und es uns in den zahllosen Restaurants gutgehen zu lassen, sind wir am Samstag in das Terai gefahren, bekannt als "das andere Nepal". Statt karger Berge beherrscht hier tiefgrüner Dschungel die Landschaft. Es ist tropisch heiß und unfassbar feucht.

Wir buchten eine ganztägige Jeep Safari, die uns tief hinein in diesen nepalesischen Dschungel bringen sollte. Schon um Viertel nach sechs machten wir uns auf den Weg. Der Park ist durch einen Fluss von Sauraha getrennt, dem Dorf, in dem wir die Nacht verbracht hatten. Am Vorabend hatten wir hier schon die ersten Krokodile gesehen, so früh am Morgen ließ sich zum Glück noch keines blicken. Dennoch war es ein unheimliches Gefühl, in einem flachen Kanu zur anderen Seite überzusetzen.

Noch lag über dem Wald ein dichtes Nebelfeld, das dem Morgen eine surreale Note gab. Ein kühler Wind strich uns über die Haut, die Sonne stand als glutroter Ball knapp über dem Horizont. Das einzige Geräusch, das wir hörten, war das unablässige Knattern des Jeeps. Gespannt warteten wir darauf, die ersten Bewohner des Parks zu sehen. Doch bis auf ein paar Rehe, für den Europäer nicht gerade die außergewöhnlichsten Tiere, gab es nichts zu sehen. Erst als ein paar Herren kurz austreten waren, wie man so schön sagt, sah ich plötzlich zwei Nashörner auf uns zu kommen! Erstaunlich, wie schnell die Herren wieder zurück auf dem Jeep waren :-) Nach dieser ersten Begegnung sahen wir die imposanten Tiere immer wieder. Auch ein Bison konnten wir entdecken.

Die Sonne stieg höher und löste den Nebel auf, der uns so lange eingehüllt hatte. Es wurde drückend heiß. Der Fahrtwind kühlte zwar unsere Gesichter, doch die Nacken waren den Strahlen erbarmungslos ausgesetzt. Es wurde Zeit für eine Mittagspause. Unser Guide hatte dafür einen außergewöhnlichen Ort ausgesucht: die Tiger Temple Lodge muss einst ein imposantes Hotel gewesen sein, mitten in dieser undurchdringlichen Wildnis, doch seit vor sieben Jahren eine Gesetzesänderung alle Übernachtungen innerhalb des Parks unterband, ist sie dem Verfall ausgesetzt. Die Spuren der Zeit waren deutlich sichtbar: verfallene Dächer, tellergroße Löcher in den Fliegengittern, gebrochene Planken auf der Aussichtsplattform über dem Fluss. Doch zugleich wirkte es, als seien die Besitzer nur mal kurz weg: Teller und Tassen standen noch in ordentlichen Reihen im Regal, Vorhänge wehten an den Fenstern und die Toilette war in erstaunlich gutem Zustand. Ein seltsam faszinierender Ort mitten in der Wildnis.

Als die Hitze wieder nachließ, machten wir uns auf den Rückweg. Wieder sahen wir einige Nashörner, doch der große Star, der bengalische Tiger, ließ sich nicht blicken. Nur seine handgroßen Pfotenabdrücke entdeckten wir im Staub. Kurz bevor wir wieder an unserem Ausgangspunkt ankamen, entdeckten wir aber immerhin noch einen der seltensten Parkbewohner überhaupt: eine armdicke Königskobra wand sich hastig durch das Unterholz, als wir ihr mit dem Jeep zu Nahe kamen.

Erst als die Sonne schon tief am Himmel stand, erreichten wir wieder Sauraha. Dort liefen schon die Vorbereitungen für einen Feiertag, der uns auf dieser Reise immer wieder begegnet: Silvester! In Nepal beginnt das neue Jahr nämlich am 15. April, und es ist auch nicht das Jahr 2014, sondern das Jahr 2071, das nun an die Tür klopfte. Doch anders als der Rest der Welt begegnen die Nepalesen dem neuen Jahr mit geradezu buddhistischem Gleichmut: keine großen Feiern, kein Feuerwerk, nur ein Essen mit der Familie oder Freunden würdigt den Übergang von einem Jahr ins andere. Wir waren ohnehin müde von einem sehr sehr langen Tag, und so begegneten wir dem neuen Jahr auf die wohl gleichmütigste Art und Weise überhaupt: friedlich schlafend in unserem Bett! :-)

Pokhara - oder: warum man in Nepal nicht koreanisch essen gehen sollte

Guten Abend,

Als wir nach unserem Trek schließlich in Pokhara ankamen, waren wir ziemlich erledigt und sehnten uns nach einem gemütlichen, sauberen Zimmer und einer ordentlichen Mahlzeit.

Welch ein Glück, dass gleich das erste Guest House ein Volltreffer war! Das "Little Tibetan Guesthouse" liegt mitten in Lakeside, dem Touristenviertel von Pokhara, doch ein wunderschöner, duftender Garten trennt es vom hektischen Straßenlärm. Unser Zimmer war groß, hell und luftig und hatte sogar einen Balkon. Hier konnten wir Erholung von den Strapazen der letzten Tage finden.

Der nächste Tag war für uns ein besonderer: wir wollten feiern, dass wir nun schon neun Jahre gemeinsam durchs Leben gehen, und sind deswegen in ein koreanisches Restaurant gegangen, als Abwechslung von der leckeren, aber nicht sehr abwechslungsreichen Küche auf dem Annapurna Circuit. Lecker war das Essen hier durchaus ebenfalls, doch schon am Abend begann Börni sich unwohl zu fühlen. Vor allem beim Gedanken an Kimchi, das koreanische Sauerkraut, wurde ihm jedes Mal übel. Auch am nächsten Tag war keine Besserung in Sicht, den ganzen Tag blieb er im Bett. Als er sich am darauf folgenden Morgen immer noch vor Schmerzen krümmte, schlug ich vor, dass wir doch besser einen Arzt aufsuchen sollten.

Der Fahrer unseres Guesthouses erbot sich, uns für ein kleines Entgelt zu einem vernünftigen Krankenhaus zu bringen ("normale" Arztpraxen gibt es in Nepal wohl nicht). Das Krankenhaus war schon ganz schön in die Jahre gekommen und die Notaufnahme, ein Saal mit etwa zehn klapprigen Metallbetten, sah auch nicht sehr einladend aus. Doch der Fahrer lotste uns, nach einem kurzen Stopp an der Rezeption, in den ersten Stock, wo wir auf den Allgemeinmediziner warteten, dessen Sprechstunde in Kürze beginnen sollte. Die Schlange vor dem Sprechzimmer war nicht allzu lang, der Fahrer, der sich wirklich sehr fürsorglich um uns kümmerte, fand heraus, dass nur vier Patienten vor uns drankommen würden.

Für unser westliches Verständnis von Intimsphäre und Datenschutz ziemlich ungewöhnlich war, dass wir bereits ins Sprechzimmer geschickt wurden, als der vorherige Patient noch drinnen war. So konnten wir dem Arzt schon einmal ein wenig bei der Arbeit zusehen, bevor Börni selbst an die Reihe kam :-) Auch das Patientengespräch war amüsant - von der nüchtern-distanzierten Herangehensweise unserer europäischen Ärzte keine Spur. Stattdessen gab es viele Witzchen über ausländische Patienten und die aus nepalesischer Sicht erstaunliche Körpergröße europäischer Männer, die Börni in seinem Zustand aber nicht so richtig zu schätzen wusste. Schließlich stellte ihm der Arzt ein umfangreiches Rezept für allerlei Medikamente aus und schickte uns mit dem wohlmeinenden Rat nach Hause, doch bitte nur in guten Restaurants zu essen (als ob draußen angeschrieben stünde, wo man besser nicht einkehrt ;-) ).

Zum Glück taten die Medikamente recht schnell ihre Wirkung und Börni fühlte sich endlich besser. Dennoch blieben wir noch zwei Tage in Pokhara, bis er sich wieder fit genug fühlte für die lange Busfahrt zurück nach Kathmandu!

Samstag, 12. April 2014

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 6

Guten Abend liebe Leser,

Heute folgt der sechste - und letzte - Teil meines Berichts über unsere Annapurna-Umrundung. Bis Kokthetanti hatten wir es bei meinem letzten Eintrag schon geschafft.

Der nächste Morgen begrüßte uns, wie eigentlich immer im Himmalaya, mit schönstem Sonnenschein. Nachmittags konnte das Wetter noch so sehr einem Weltuntergang gleichen, wenn die Sonne aufging war davon nichts mehr zu bemerken.

Auch der Weg war an diesem Vormittag besonders schön. Hinter Kalopani führte er durch einen lichten Nadelwald, die Sonnenstrahlen zeichneten Muster auf den nadelbedeckten Boden. Auf einer Lichtung stießen wir plötzlich auf alte Bekannte, die wir seit den Anfangstagen unseres Treks nur noch oben am Himmel hatten kreisen sehen. Zwei Himalayan Griffons saßen auf einer Steinmauer, die Hälse nach Futter suchend gereckt. Erst jetzt wurde uns bewusst, wie groß diese Vögel wirklich sind! Vor uns kleinen Menschlein ließen sie sich kein bisschen beeindrucken, obwohl wir wirklich nur wenige Meter entfernt waren. Minutenlang standen wir da und beobachteten sie bei der Futtersuche.

Am Nachmittag sollte uns der Weg auf die andere Seite des Flusses führen, der mittlerweile wieder durch ein schmales, tiefes Tal rauschte. Doch welcher Weg war der richtige? Unten im Tal sahen wir, der Beschreibung aus unserem Guidebook entsprechend, eine Hängebrücke, doch die Markierung schien in eine andere Richtung zu weisen. Nach langem Hin und Her entschieden wir uns, zu der Hängebrücke hinabzusteigen. Was von oben nicht zu sehen war: wenige Hundert Meter weiter führte eine zweite Hängebrücke ebenfalls über den Fluss. Im Gegensatz zu der, vor der wir gerade standen, war diese nagelneu und komplett aus Stahl gebaut. Das Konstrukt, vor dem wir uns befanden, war dagegen schon etwas in die Jahre gekommen, schien aber immerhin von den Dorfbewohnern einigermaßen in Stand gehalten zu werden. Um über die neue Brücke gehen zu können, hätten wir allerdings erst einmal den Hügel wieder hinauf gemusst, den wir gerade heruntergestiegen waren. Also entschied ich mich, es mit der älteren Brücke zu versuchen. Schritt für Schritt suchte ich mir einen Weg über die alten Holzplanken. Die schlimmsten Stellen waren tatsächlich mit neuen Brettern abgedeckt worden, und so erreichte ich sicher das andere Ufer. Börni wagte sich auch an die Überquerung, und wenige Minuten später konnten wir unseren Weg fortsetzen.
Lange führte dieser einen steilen Abhang entlang, bevor schließlich, wieder einmal, ein scheinbar endloser Abstieg folgte. Ziemlich geschafft erreichten wir schließlich unser Tagesziel Dana.

Am nächsten Morgen legten wir zunächst das relativ kurze Wegstück nach Tatopani zurück. Der Ort ist bei den Annapurna-Trekkern bekannt für seine heißen Quellen, auf die wir uns auch schon freuten. Besonders einladend waren die Becken zwar nicht (schlichter Beton mit allerlei Rohren verziert), doch im warmen Wasser zu sitzen war herrlich. Nur eines trübte unsere Freude: der Zeh, der bereits nach der Passüberquerung angeschlagen gewesen war, war mittlerweile so sehr angeschwollen, dass ich kaum noch in meine Wanderschuhe passte. Zwar fehlten nur noch 27 Kilometer bis zu unserem eigentlichen Ziel, Nayapul, doch diese führten über den sogenannten Poon Hill, 2000 Höhenmeter hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Während wir noch überlegten, nahm uns der Zeh gewissermaßen die Entscheidung ab: man konnte beinahe zusehen, wie er immer weiter anschwoll und sich am Nagelbett eine fiese Blase bildete. Zu groß war das Risiko, irgendwann gar nicht mehr weitergehen zu können und auf dem Poon Hill festzusitzen. Schweren Herzens beendeten wir also unsere Wanderung mit einem ausgiebigen Mittagessen und stiegen dann wehmütig in einen Bus, der uns nach Beni bringen sollte.

Eine Entscheidung mit interessanten Folgen. Die "Straßen" in diesen entfernten Gebieten des Himmalayas sind nichts weiter als mühsam in den Fels gehauene Trassen, mit Schlaglöchern übersät und mit Felsbrocken dekoriert. Ich bewundere wirklich den Mut der Busfahrer, die sich mit ihren zwanzig Jahre alten Klapperkisten trauen, hier entlangzufahren! Während der gesamten Fahrt mussten wir uns am Vordersitz festkrallen, weil es uns immer wieder von den Sitzen hob und hin und her warf. Kam uns ein Auto oder gar ein LKW entgegen, musste unser Fahrer oft sogar rückwärts wieder den Hang hinauf bis zu einer der wenigen Stellen, an denen überhaupt zwei Fahrzeuge aneinander vorbeipassen. Doch mit einer Engelsgeduld und einer sicheren Hand schaffte unser Busfahrer die knapp dreißig Kilometer in zwei Stunden. Dennoch fuhren wir den Rest der Strecke nach Pokhara lieber mit dem Jeep! ;-)

Damit war unser Annapurna-Trek nach 15 Tagen und 185 Kilometern zu Ende. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits in meiner kleinen Statistik geschrieben habe: wir würden es sofort wieder machen!

Freitag, 11. April 2014

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 5

Guten Morgen liebe Leser,

Der Tag nach unserer abenteuerlichen Passüberquerung hielt eine unangenehme Überraschung für uns bereit: den schlimmsten Muskelkater unseres Lebens ;-) Vor allem beim Treppensteigen streikte unsere Waden- und Oberschenkelmuskulatur. Außerdem hatte mein rechter großer Zeh die 1600 Höhenmeter bergab etwas übelgenommen und war von der ständigen Reibung angeschwollen und empfindlich.

Nachdem wir es zum Glück ja aber nicht besonders eilig hatten mit unserem Trek (im Gegensatz zu vielen anderen, die nur zwei Wochen oder noch weniger eingeplant hatten), gönnten wir uns einfach einen Tag Auszeit in der hübschen  Kleinstadt Muktinath.

Muktinath ist nicht nur bei Trekkern aus aller Welt bekannt, die dortigen Tempel gehören für Hindus und Buddhisten zu den größten Heiligtümern überhaupt. Wie es der Zufall so wollte, fiel unsere Auszeit ausgerechnet auf einen hinduistischen Feiertag (leider konnte ich nicht herausfinden, welchen). Plötzlich bevölkerten nicht mehr nur Trekker die Stadt, sondern Hunderte, nein Tausende Pilger aus Nepal und Indien.

Der Tempel selbst gehört wohl zu den merkwürdigsten religiösen Einrichtungen, die wir je besucht haben. Mittelpunkt des Geschehens ist ein Sammelsurium aus Wasserbecken, umrahmt von 108 Wasserspeiern. Sich hier zu waschen, hat wohl dem hinduistischen Glauben nach eine reinigende Wirkung im religiösen  Sinne, weshalb die Pilger an diesem Tag zu Hunderten ins Wasser sprangen. Für die buddhistischen Pilger spielt dagegen eine von Erdgas gespeiste Flamme in einem kleinen Tempelgebäude die Hauptrolle, welches wir jedoch nicht betreten durften. Doch es war spannend genug, die endlosen Schlangen zu beobachten, die in den Tempel drängten, um ihre Opfer darzubieten! Wirklich ein einzigartiger Ort, dieses Muktinath.

Am nächsten Tag fühlten wir uns dann ausgeruht genug, uns an den langen Abstieg zu machen, der noch vor uns lag (Muktinath liegt immerhin noch auf 3800 Metern!). Am Anfang wehrte sich die Beinmuskulatur zwar noch ein wenig gegen die Bewegung, aber nach und nach fanden wir wieder zurück in unseren gewohnten Wanderrhythmus. Gerade der Vormittag dieses Tages belohnte uns mit wunderschönen, wenn auch kargen Anblicken der nepalesischen Bergwelt. Vor Allem der steile Abstieg vor Eklebhatti, der in das Flusstal des Kali Gandaki hinabführt, war atemberaubend!

Ganz anders der Nachmittag. Der Weg führte nun quer durch das vollkommen flache und sehr breite Bett des Flusses. Eine Wüste aus Geröll und Staub, ein bisschen so, wie man sich die Mondoberfläche vorstellt! Anders als auf dem Mond wehte hier allerdings nachmittags ein kräftiger Wind, der den Staub aufwirbelte und uns ins Gesicht blies. Die Augen tränten, die Zähne knirschten, wirklich kein angenehmes Gefühl! Hinzu kam, dass ich mir, im Bemühen meinen Zeh zu schonen, eine fiese Blase gelaufen hatte und jeder Schritt schmerzte. Scheinbar endlos zog sich der Weg, bis wir endlich Jomsom erreichten und in einem Gasthaus Schutz vor dem beißenden Wind fanden.

Am nächsten Morgen hatte sich der Wind gelegt und wir konnten weitergehen. Nachdem wir nun endlich den Regenschatten der Achttausender verließen, wurde die Umgebung endlich (!) wieder grüner. Nach Tagen in der Einsamkeit des Hochgebirges freuten wir uns über den Anblick von Bäumen, Sträuchern und sogar Gras, die nun die Landschaft dominierten. Wir gelangten zu einem Ort namens Marpha, gewissermaßen die Bodenseeregion Nepals, eine Hochburg des Apfelanbaus. Bekannteste Spezialität: Apfelbrandy. Natürlich kauften wir ein Fläschchen für den Feierabend ;-)

Doch auch an diesem Tag meinte es das Wetter nicht so wirklich gut mit uns. Gegen Mittag zogen immer dunklere Wolken auf, und schon bald fing es an zu nieseln. Nachdem wir bislang so viel Glück mit dem Wetter gehabt hatten, mussten wir nun doch einmal unsere Regenjacken auspacken. Die Laune war ziemlich auf dem Tiefpunkt, bis wir auf die Idee kamen, uns mit ein bisschen Gesang aufzuheitern. Lauthals sangen wir alles, was uns in den Sinn kam: von "Ein Bett im Kornfeld" über Beatles-Klassiker und "Alles aus Liebe" bis hin zu "Ein Loch ist im Eimer". Ich will gar nicht wissen, was die Nepalesen an diesem Tag über uns gedacht haben ;-)

Abends in unserer Lodge im winzigen Kokthetanti war es dann auch dem Wetter entsprechend kalt. Da kam uns der Apfelbrandy gerade recht - ein ordentlicher Schluck aus der Flasche und schon breitet sich ein kleines Feuer im Magen aus, das besser wärmt als alle Paar Socken übereinander :-) Ich bin ja sonst wirklich kein Fan von Schnaps, aber hier kam er mir wirklich gerade recht. Auf diese Weise angeheitert, gingen wir schon um sieben Uhr ins Bett und schliefen friedlich bis zum nächsten Morgen!

To be continued :-)

Donnerstag, 10. April 2014

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 4

Hallo noch einmal, nach sechs anstrengenden Tagen, in denen wir fast neunzig Kilometer und zweitausend Hoehenmeter zurueckgelegt hatten, stand in Manang ein sogenannter "Hoehenakklimatisationstag" an. Also zur Abwechslung einmal nicht stundenlang wandern, sondern nur kurze Spaziergaenge rund um Manang und ansonsten: ganz viel entspannen!
Wir haben es uns gutgehen lassen: mit echtem Kaffee zum Fruehstueck (dem ersten seit einer Woche!), Yak-Steak zum Mittagessen und Kuchen am Nachmittag :-) Nach so viel Futtern haben wir dann doch noch einen kleinen Ausflug gemacht zu der Gompa, die hoch ueber Manang an einem Hang thront. Kalt war es an diesem Tag, und waehrend wir den Berg hinaufstiegen, zogen finstere Wolken ins Tal. Dennoch war der Blick von der Gompa ueber Manang einfach atemberaubend. Wir wollten uns gerade an den Abstieg machen, als sich tatsaechlich eine Schneeflocke auf meine Nasenspitze verirrte. Schnee! Nach zehn Monaten Sommerhitze einfach unglaublich :-) Das Schneetreiben verdichtete sich noch und beim Abendessen am Kamin konnten wir die weisse Pracht draussen in dicken Flocken vom Himmel fallen sehen.
Am naechsten Morgen hatte es zum Glueck dann aber doch wieder aufgehoert und wir konnten unsere Wanderung ungehindert fortsetzen. Nachdem wir nun schon die Grenze von 3500 Hoehenmetern ueberschritten hatten, nahm das Thema "Hoehenkrankheit" auch einen immer groesseren Raum in unseren Gedanken ein. Natuerlich hatten wir alle Tipps befolgt, die man hier so bekommt: - ganz viel Knoblauch essen (die Einheimischen schwoeren darauf, deswegen gibt es ueberall Knoblauchsuppe zu essen) - viel trinken (vier bis fuenf Liter am Tag!) - kein Alkohol (na gut, fast, ab und zu ein Schuss Rum im Tee um sich aufzuwaermen... :-) ) - langsam aufsteigen (im Idealfall nicht mehr als 500 Hoehenmeter pro Tag, auf unserer Route kommt man im Schnitt auf etwa 600 Meter) Dennoch merkten wir natuerlich, dass die Luft duenner wurde. Der Aufstieg nach Ghunsang gleich hinter Manang dauerte einfach laenger als die bisherigen. Trotzdem kamen wir an diesem Tag sehr gut voran, der Himmel war strahlendblau und die Aussicht einfach fantastisch!
Danach ging es eher flach weiter bis zu einem kleinen Dorf namens Letdar, das eigentlich nur aus vier Gasthaeusern besteht. Da wir hier bereits 650 Hoehenmeter erreicht hatten, hiess es: Schluss fuer heute! Positiv ueberrascht hat uns zunaechst die Tatsache, dass wir hier zum ersten Mal auf dem Trek ein Zimmer mit Doppelbett angeboten bekamen. Erfreut begannen wir, unsere Habseligkeiten auszupacken, als uns auffiel, dass unser Zimmer nur durch eine duenne Holzwand von der daneben liegenden Gemeinschaftstoilette getrennt war. Wir konnten den anderen Gaesten tatsaechlich beim Pinkeln zuhoeren! Da haben wir es dann doch vorgezogen, in ein anderes Zimmer umzuziehen, das weiter von der Toilette entfernt war, auch wenn wir dafuer auf das Doppelbett verzichten mussten. Am naechsten Morgen bestaetigte uns eine andere Trekkerin, dass das eine gute Entscheidung gewesen war :-) Ueberhaupt trafen wir hier viele Trekker wieder, die wir bereits in Manang (oder auch schon frueher) kennengelernt hatten. So weit oben gibt es eben nur noch wenige Gasthaeuser, in denen sich alles konzentriert. War aber auch schoen, zur Abwechslung einmal etwas mehr Gesellschaft zu haben, nachdem wir in den ersten Tagen unseres Treks mehr oder weniger allein unterwegs gewesen waren. Die Nacht in Letdar war fuer mich die unangenehmste auf dem ganzen Trek. Tagsueber hatten wir noch relativ wenig von der Hoehe bemerkt, doch wie schon vor Jahren in Bolivien stoerte sie nun unseren Schlaf. Sobald man etwas tiefer wegschlummerte, ging uns sprichwoertlich die Puste aus, und mit einem Japsen fuhren wieder hoch, nach Sauerstoff ringend. Eine bekannte "Nebenwirkung" der Hoehe, noch nicht weiter gefaehrlich, aber doch ganz schoen unangenehm. Erst in den fruehen Morgenstunden fand ich ein bisschen Erholung. Dementsprechend muede war ich am naechsten Morgen. Geplant war, zumindest bis zum naechsten Ort, Thorung Pedi (4500m), weiterzugehen, von wo aus man den Pass theoretisch an nur einem Tag ueberqueren kann. Lieber wollten wir aber zum Highcamp (4800m), von wo aus die Ueberquerung schon anstrengend genug sein wuerde. Aber wir wollten erst einmal sehen, wie wir mit der Hoehe zurechtkamen, bevor wir eine Entscheidung trafen. Der Weg nach Thorung Pedi war eigentlich nicht besonders anspruchsvoll, doch die Hoehe liess ihn sich endlos in die Laenge ziehen. Mittlerweile waren wir so hoch, dass es fast keinerlei Pflanzen mehr gab, nur noch endlose Haenge aus Stein und Geroell und, natuerlich, Eis und Schnee auf den Gipfeln. Der Weg ueberquert vor Thorung Pedi einen Hang, auf dem sich in der Vergangenheit immer wieder Erdrutsche geloest haben - ein unheimliches Gefuehl, dort hinueberzugehen! Doch wir schafften es sicher auf die andere Seite.
Bereits um zehn Uhr waren wir schon an unserem ersten Ziel angekommen. Die naechsten zwei Stunden verbrachten wir damit, uns zu ueberlegen, ob wir denn nun weitergehen sollten oder nicht. Unser Respekt vor der Hoehe war betraechtlich; auf der anderen Seite stand die Aussicht, am naechsten Morgen 900 Hoehenmeter (statt "nur" 600) aufsteigen zu muessen, um den Pass ueberqueren zu koennen. Wir machten uns die Entscheidung nicht leicht, aber am Ende wagten wir den Weg hinauf zum High Camp. Dieser fuehrte im Zickzack einen steilen Hang hinauf, mit zunehmender Hoehe wurde er immer eisiger und schwieriger zu begehen. Wir fragten uns wirklich, wann wir endlich ans Ziel gelangen wuerden! Dann schliesslich, nach einer letzten eisigen Kurve, sahen wir die schneebedeckten Daecher vor uns. Wir hatten es geschafft! Im Nachhinein waren wir sehr froh, diesen Aufstieg noch an diesem Tag hinter uns gebracht zu haben.
Es folgte die letzte Nacht in der Hoehe. Den Nachmittag und Abend verbrachten wir mit Joey und Kitty und ihren Guides, die wir schon in Manang kennengelernt hatten, mit Kartenspielen und Teetrinken. Obwohl es dort oben weit unter null Grad hatte, gab es kein Feuer, zu kostbar ist dort das Feuerholz. Stattdessen huepften wir durch den Aufenthaltsraum, um unsere eisigen Zehen aufzuwaermen. :-) Nach dem Abendessen um 18:30 Uhr gingen wir direkt ins Bett, zwei Trinkflaschen mit heissem Wasser als Waermflaschen mit dabei. Zwei Schlafsaecke und vier Decken brauchten wir, um nicht zu frieren! Besonders gut geschlafen haben wir in dieser Nacht natuerlich trotzdem nicht, zu gross war die Aufregung vor der Passueberquerung. So war es fast eine Erleichterung, als um 3:55 Uhr morgens unser Wecker klingelte. Fruehstueck gab es um halb fuenf, Hunger hatten wir um diese Zeit zwar eigentlich nicht, aber dennoch zwangen wir ein tibetisches Brot mit Omelette hinunter. Wir hatten am Vorabend beschlossen, den Aufstieg zum Pass mit Joey und Kitty und ihren Guides gemeinsam zu wagen. Zu gefaehrlich ist es, in Hoehen ueber 5000m allein herumzuspazieren! Als wir uns um kurz nach fuenf Uhr morgens schliesslich auf den Weg machten, war es noch dunkel draussen. Mit Stirnlampen "bewaffnet" folgten wir den Guides auf dem ihnen vertrauten Pfad den Berg hinauf. Allein haetten wir uns niemals getraut, hier im Dunkeln herumzulaufen!
So langsam wie an diesem Tag sind wir noch nie einen Berg hinaufgelaufen. Der Weg an sich war, vom Eis und der Dunkelheit einmal abgesehen, gar nicht besonders schwer: in sanften Bahnen fuehrte er weiter bergauf. Doch wenn die Luft so duenn ist, dass man alle paar Schritte eine Pause braucht, wird der Aufstieg zum Kampf mit einem selbst. Mir jedenfalls ging es so. Bei jedem Schritt dachte ich an den Pass, der irgenwo dort oben auf uns wartete, daran, wie viel wir schon geschafft hatten und dass es nicht mehr weit war bis zum absoluten Hoehepunkt unserer Trekkingtour. Es tat gut, in einer Gruppe zu sein, zu sehen, dass die anderen ebenso sehr kaempften wie man selbst. Eine lebensfeindlichere Umgebung als dort oben kann man sich kaum vorstellen: die Luft war so kalt, dass selbst der heisse Tee, denn wir mitgenommen hatten, binnen drei Stunden zu gefrieren begann, meine Zehen schmerzten vor Kaelte und wir atmeten nur noch durch unsere Schals, um die eisige Luft ein bisschen aufzuwaermen. Als wir uns dem Pass endlich naeherten, pfiff uns der Wind so stark um die Ohren, dass wir uns manchmal alle aneinander festgehalten haben. Schliesslich versprachen uns die Guides, dass es nur noch zehn Minuten dauern werde bis zum Pass. Ein letzter Huegel, eine letzte Kurve, und dann: tatsaechlich! Dort oben wehten die zahllosen Gebetsfahnen, die den hoechsten Punkt des Weges kennzeichnen! Trotz knapper Luft brachen wir alle in abgehackte Jubelschreie aus, die uns auf den letzten Metern begleiteten. Wir hatten es geschafft! "Congratulations to the success" steht auf der Tafel, die dort oben angebracht ist, und wirklich - wir konnten so stolz auf uns sein!
Noch atemberaubender als der Blick auf den Pass selbst ist allerdings der Blick ueber den Thorung-La hinueber auf die andere Seite: ein endloses Tal, auf allen Seiten begrenzt von den hoechsten Bergen der Welt, tat sich vor uns auf. Selten hat mich etwas auf unserer Reise so beeindruckt wie dieser unerwartete Blick in die Endlosigkeit des Himmalaya.
Absurderweise gibt es dort oben am Pass ein winziges Teehaus, in das wir nun einkehrten, um uns mit einer Tasse Tee aufzuwaermen. Meine Zehen waren mittlerweile so kalt, dass ich sie an die heisse Tasse hielt, bis das Gefuehl langsam wieder zurueckkehrte. Allzu lange konnten wir dort oben aber nicht bleiben, die Guides draengten zur Eile, und das war auch gut so: ein endloser Abstieg wartete auf uns! Muktinath, der erste nennenswerte Ort auf der anderen Seite, liegt 1600 Hoehenmeter unter dem Pass. Der Abstieg erwies sich denn auch fast als noch schwieriger als der Aufstieg zuvor. Der Weg war komplett von Schnee bedeckt, oft auch von Eis, so dass man jeden Schritt sorgfaeltig setzen musste, um keinen Abhang hinunterzurutschen. Schritt fuer Schritt suchten wir uns unseren Weg. Es dauerte Stunden, bis wir flacheres Terrain erreichten. Die letzten Kilometer nach Muktinath, als es endlich flacher und einfacher wurde, gingen wir nur noch im Schneckentempo, so erschoepft waren wir von der Passueberquerung. Endlich erreichten wir unser Guesthouse, wo wir erst einmal ein paar Stunden nichts weiter taten, als im Bett zu liegen und zu doesen! Am Abend aber feierten wir unseren Erfolg mit Kitty und Joey im beruehmten "Bob Marley"-Guesthouse mit dem einen oder anderen Bier. Was fuer ein Abenteuer!

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 3

Guten Morgen allerseits,

der fünfte Tag unserer Wandertour hielt eine unangenehme Überraschung für mich bereit: ich hatte mich bei Börni angesteckt und durfte nun selbst mit triefender Nase und Husten kämpfen. Zum Glück war der Weg an diesem Vormittag aber eher unspektakulär, große Steigungen gab es erstmal keine. Nach einem kleinen Ort namens Batrang sollten wir einen gigantischen Steilhang überqueren, den wir schon von weitem bewundern konnten: kein Baum oder Busch wuchs in dieser Geröllwüste, die obere Hälfte war von Schnee bedeckt und ein eisiger Wind pfiff über den Weg. Ein deutlicher Beweis  dafür, dass die Umgebung (wir hatten mittlerweile etwa 3000 Höhenmeter erreicht) immer lebensfeindlicher wurde!

Tapfer machten wir uns auf den Weg, der nun wieder steil bergauf führte. Nach einer halben Stunde dann eine unangenehme Entdeckung: wir hatten unsere Sonnenbrillen in Batrang vergessen, alle beide! Sonnenbrillen sind aber wichtig für die Passüberquerung, um Schneeblindheit zu vermeiden. Alles Ärgern und Fluchen half nichts, wir brauchten unsere Sonnenbrillen. Da ich an diesem Tag mit Erkältung und fiesen Blasen an den Fersen schon genug zu kämpfen hatte, war Börni  so lieb, nach Batrang zurückzulaufen, während ich mit den Rucksäcken an Ort und Stelle auf ihn wartete. Es dauerte zum Glück nur eine gute halbe Stunde, dann war er - mit unseren Sonnenbrillen - wieder zurück!

Wir konnten also unseren Weg über den Hang fortsetzen. Irgendwann wurde der Weg wieder flacher, und die letzten Kilometer nach Lower Pisang waren nicht allzu anstrengend. In Lower Pisang kehrten wir im fast neuen Bajra Guesthouse ein. Wir waren in dieser Nacht die einzigen Gäste, dennoch wurde im Restaurant ein Feuer für uns angezündet, und wir konnten unsere klammen Finger und Zehen aufwärmen!

Am nächsten Morgen, dem sechsten auf unserer Reise, mussten wir gleich als erstes eine Entscheidung fällen: von Pisang aus führen zwei Wege zum Tagesziel Manang, eine "higher" und eine "lower" Route. Die low route gilt als deutlich weniger anstrengend, die high route lockt allerdings mit traumhaften Aussichten und dem Versprechen, gut für die Höhenanpassung zu sein, da man 600 Höhenmeter hinauf- und am Ende des Tages wieder hinabsteigt. Nachdem wir sehr gut geschlafen hatten, fühlten wir uns trotz Erkältung fit genug für diese Variante.

Zunächst führte der Weg durch ein kleines Wäldchen und an einem dunkelgrünen See entlang, auf diesem Stück hatte man glatt das Gefühl, die einzigen Menschen weit und breit zu sein, so still war es. Der Weg endete an einer der unzähligen Schweizer Hängebrücken.
Auf der anderen Seite ein Hügel, und ganz oben Ghyaru, unser nächstes Ziel. Weit war es nicht dorthin, doch man hatte uns gewarnt: dieser Aufstieg sei der anstrengendste auf dem ganzen Trek, 350 Höhenmeter seien zu überwinden.
Wir versuchten, in kleinen Schritten zu denken, beglückwünschten uns zu jeder Kurve, die wir zurückgelegt hatten, stoppten immer wieder für einen Schluck Wasser und den Blick zurück ins Tal. Über eine Stunde dauerte der Aufstieg, der uns gehörig außer Atem brachte, doch letzten Endes fanden wir ihn auch nicht schlimmer als die endlosen Treppen zwei Tage zuvor.

Die Aussicht entschädigte ohnehin für alles: von Ghyaru bis zum nächsten Ort Ngawal hat man einen fantastischen Blick auf einige der höchsten Berge der Welt! Manaslu, Annapurna II und Annapurna III hatten wir auf diesen Kilometern ständig im Blick. Ein berauschendes Gefühl!

Zu Schade, dass wir nach unserer Mittagspause in Ngawal einen Großteil der gewonnenen Höhe wieder hinabsteigen mussten. Kilometerlang ging es auf einem schmalen Pfad steil bergab, den Abgrund neben uns und den tief unter uns in der Sonne glänzenden Flughafen von Humde immer im Blick.

Nach dem Abstieg sollten wir, dem Guidebook zufolge, bald einen Ort namens Munji erreichen. Doch Fehlanzeige! Der Weg zog sich endlos dahin, hügelauf, hügelab. Dank der Erkältung fühlte ich mich jetzt gar nicht mehr so fit, ich wollte endlich ankommen. Aber so oft ich mir wünschte, hinter der nächsten Hügelkuppe käme endlich das Dorf, so oft wurde ich auch enttäuscht. Immer neue Hügel  warteten auf mich. Schließlich kippte die Laune, und ich schwor mir selbst, keine Pause mehr zu machen, bis ich endlich dieses verdammte Dorf erreicht hatte! Mehr von der Wut als von der Wanderlust angetrieben stapfte ich weiter und weiter. Es dauerte bestimmt noch einmal weitere 45 Minuten, bis ich endlich - endlich! - die Dächer des Dorfes in der Ferne schimmern sah! Hinterher stellte sich heraus: ein Druckfehler im Reiseführer hatte aus sechs Kilometern drei gemacht ;-) Dafür war das letzte Stück nach Manang entsprechend kürzer, und gegen vier Uhr nachmittags erreichten wir endlich unser Ziel. Mit letzter Kraft organisierten wir uns ein Zimmer und fielen nur noch müde aufs Bett.

To be continued ;-)

Montag, 7. April 2014

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 2

Guten Morgen liebe Leser, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, am Ende des zweiten Tages, als Boerni in Ghermu krank im Bett lag, waehrend draussen ein Gewitter tobte. Am naechsten Morgen war Boerni natuerlich noch nicht wieder ganz gesund, aber doch fit genug, sich erneut auf dem Annapurna-Trek bergauf zu kaempfen. Das Wetter spielte auch noch nicht so ganz mit, es war grau-trueb und sogar ein bisschen neblig, aber auch das hielt uns nicht auf. Im Gegenteil, durch die tiefhaengenden Wolken bekam der Trek eine gespenstische, abenteuerliche Note, die schmalen Pfade entlang eines steilen Berghangs wirkten umso beeindruckender. Himalayan Griffons, riesige Greifvoegel mit einer Fluegelspannweite von bis zu 3 Metern, flogen an uns vorbei, oft nur wenige Meter entfernt. Gegen Mittag sahen wir schliesslich vor uns den vom Guidebook angekuendigten steilen Hang, den wir erklimmen mussten, um die Grenze des Manang-Bezirks zu erreichen. So steil, wie er von Weitem ausgesehen hatte, war er denn auch, in schmalen Serpentinen erklomm der Weg die Hoehenmeter. Auf halben Weg wartete ein Tea House, wo wir uns atemlos einen heissen Tee bestellten und - so seltsam das vielleicht klingt ;-) - jeder ein hartgekochtes Ei als Snack. Ueberhaupt haben wir sehr viele Eier gegessen im Himmalaya, sie haben sich als Zwischenmahlzeit fuer hungrige Trekker bewaehrt. Aber das wussten wir damals natuerlich noch nicht. Nach wenigen Minuten der Ruhe begannen wir die Kaelte des Windes zu fuehlen, und so ging es weiter den Hang hinauf, Schritt fuer Schritt, Kurve um Kurve. Dabei entwickelte jeder von uns seine eigene Methode, den Berg zu erobern: Boerni ist ein Fan der kleinen Schritte, mit erstaunlicher Kontinuitaet setzt er einen Fuss vor den anderen, der einzelne Schritt bringt ihn kaum weiter, doch mit seiner Beharrlichkeit kommt er trotzdem ans Ziel. Fuer mich waere das nichts. So wie ich auch Treppen meistens zwei Stufen auf einmal hinaufsteige, stapfe ich auch einen Berghang mit grossen Schritten hinauf - und brauche dann alle zwei Kurven eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen :-) Aber letzten Endes erreichten wir doch beide das Plateau am Ende des Hangs, wo ein steinernes Tor uns begruesste: "Welcome to Manang District".
Hinter dem Tor begann, so schien es, eine neue Welt. Am Vormittag waren wir entlang des Hanges durch ein immer schmaler werdendes Tal gewandert, nun erwartete uns eine weite Ebene, durch die sich der Marsyangdi schlaengelte. Erstaunlich! Laut unserem Reisefuehrer waere hier fuer den Tag Schluss gewesen, doch es war ja erst mittags, und so wanderten wir nach einer ausgiebigen Pause noch etwas weiter, bis zu einem Ort namens Karte, wo uns im New World Guesthouse eine richtig heisse Dusche erwartete! Hier oben im Himmalaya bei weitem keine Selbstverstaendlichkeit, aber bei der Kaelte an diesem Abend eine wunderbare Annehmlichkeit. Wir haben wunderbar geschlafen. :-) Der naechste Morgen begrueste uns mit herrlichem Sonnenschein und eisiger Kaelte. Es wurde Zeit, die Muetzen auszupacken! Der steile Anstieg, der uns gleich zu Beginn dieses Tages erwartete, sorgte allerdings schnell dafuer, dass wir nicht mehr frieren mussten. In einem Ort namens Danagyu goennten wir uns ein zweites Fruehstueck (Eier, was sonst ;-) ) mit Aussicht auf den schneebedeckten Gipfel des Manaslu. Danach schlossen wir uns einer us-amerikanisch/kanadischen Wandergruppe an, die wir mit dem Spitznamen "North-American Taskforce" versahen.
Das war auch gut so, denn hinter Danagyu erwartete uns eine schier endlose Treppe, die immer weiter den Hang hinauf fuehrte. In der Gruppe war es doch etwas leichter, sich die immer neuen Stufen hinaufzuquaelen :-) Schliesslich erreichten wir einen wunderschoenen Wald voller bluehender Rhododendren. Der Weg fuehrte nun nur noch ueber sanfte Huegel und eine der unendlich langen Haengebruecken, die die Schweizer hier in Nepal gebaut haben, um Wanderfreunden das Leben zu erleichtern.
Schliesslich erreichten wir Timang. Unglaubliche 800 Hoehenmeter hatten wir an diesem Tag schon erklommen, und es war gerade einmal Mittagszeit! Ein Stueckchen weitergehen wollten wir dennoch. Der Weg allerdings wollte wohl unser Durchhaltevermoegen pruefen, denn schon bald kamen wir an eine Schlucht, in die der Weg erst einmal Hundert Meter steil hinabfiel, nur um auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen. Welche Gemeinheit! Einen kurzen Moment spielten wir mit dem Gedanken, doch einfach in Timang zu uebernachten und erst morgen weiterzugehen, doch nach einer kurzen Pause und einem Stueckchen Yak-Kaese fuer jeden fanden wir es doch einfacher, es so schnell wie moeglich hinter uns zu bringen. Eine knappe Stunde spaeter war es geschafft, wir standen auf der anderen Seite. :-) Die letzten Kilometer des Tages schleppten wir uns nur noch dahin, in einem kleinen Dorf namens Kothro war dann auch Schluss. Zufaellig trafen wir hier zwei Israelis wieder, die schon in Ghermu im selben Gasthaus eingekehrt waren, und gemeinsam mit den nepalesischen Besitzern verbrachten wir den Abend in der Kueche. Die Finger am Feuer waermend, erfuhren wir viel ueber das Leben der Leute in dieser kargen Umgebung: dass man seine Kinder ins Internat im Tal schickt, wenn man es sich leisten kann, und dass die Kartoffeln der Nachbarn viel teurer sind als die aus der Stadt, aber auch viel besser schmecken. Rueckblickend war das einer der schoensten Abende auf unserer Tour! To be continued :-)

Sonntag, 6. April 2014

Rund um das Annapurna-Massiv, Teil 1

Guten Morgen liebe Leser, nach zwei Wochen kaltem Entzug ist es also soweit: wir sind wieder in der digitalen Welt. Damit kommt nun auch in meinen Blog wieder Leben, denn sicherlich freut ihr euch schon auf einen Bericht von unserer Wandertour im hoechsten Gebirge der Welt! Wenn ich heute an den Tag zurueck denke, als wir uns in Kathmandu auf den Weg gemacht haben, kann ich immer noch die Aufregung spueren, die sich an jenem fruehen Morgen in meinem Bauch breit gemacht hatte. Endlich sollte es losgehen! Das Leuchten in den Augen derjenigen, die den Trek gerade hinter sich gebracht hatten, liess vermuten, dass eine tolle Zeit auf uns wartete. Doch bis wir tatsaechlich loswandern konnten, sollte noch einige Zeit vergehen... Zunaechst einmal wartete naemlich eine abenteuerliche Busfahrt auf uns. Da man mit den komfortableren Touristenbusse nicht direkt nach Besi Sahar kommt(dem Startpunkt des Annapurna Circuits), sind wir eben mit einem "normalen" nepalesischen Bus dorthin gefahren. Dieser war vielleicht so um die zwanzig Jahre alt, aber im Vergleich zu dem, was wir in Afrika gesehen haben, noch ziemlich gut in Schuss. Nur die Sitze waren sehr klein, der Sitzabstand eher auf nepalesische Beinlaengen ausgelegt. Selbst ich stiess mit den Knien am Vordersitz an, Boerni konnte ueberhaupt nur sitzen, indem er sich diagonal in den Sitz quetschte und die Beine auf den Gang hinausstreckte. Da koennen einem sechs Stunden Busfahrt schon ganz schoen lang vorkommen... nie wieder beschwere ich mich ueber die Sitze in der Touristenklasse im Flugzeug! ;-) Dass es ueberhaupt sechs Stunden dauert, die 135km lange Strecke nach Besi Sahar zurueckzulegen, ist dem katastrophalen Zustand der nepalesischen Strassen geschuldet. Selbst in Kathmandu sind viele Strassen ein Konglomerat aus Schlagloechern, Betonplatten und Staub - ausserhalb kwinden sie sich auch noch unaufhoerlich bergauf und bergab, Zentimeter neben dem Bus geht es hunderte Meter steil den Berg hinunter! Es geht wirklich nur im Schneckentempo voran. Spaeter an diesem Tag haben wir denn auch einen Bus gesehen, der gerade mithilfe eines Krans aus dem Graben gezogen wurde. Doch wir blieben von Unfaellen verschont und erreichten sicher unser erstes Ziel, das kleine Staedtchen Besi Sahar. Ein Grossteil der Wanderer faehrt von hieraus noch einmal mit dem Jeep weiter, nach Bhulbhule oder sogar nach Chame - wir aber waren zu geizig, die mit 20 US-Dollar voellig ueberteuerte Fahrt zu bezahlen. Und ueberhaupt - waren wir nicht eigentlich zum Wandern hier? ;-) Also schnell die Genehmigungen am Checkpoint vorgezeigt und die Rucksaecke festgeschnallt und los ging es.
An diesem Nachmittag hatten wir Gesellschaft in Form eines jungen Ukrainers namens Roman. Spannend, seine Sicht auf die aktuellen Ereignisse auf der Krim zu erfahren! Die 9 Kilometer vergingen wie im Flug und nach knapp zweieinhalb Stunden erreichten wir unser erstes Ziel, Bhulbhule (uebrigens nur etwa 20 Minuten nach dem Jeep, in dem wir haetten fahren koennen :-) ). Im Heaven Guesthouse fanden wir unsere erste Unterkunft: ein spartanisches Zimmer mit zwei schmalen Betten und einem Tischchen. Doch die Besitzerin war freundlich und aufgeschlossen und verwoehnte uns mit einer nepalesischen Spezialitaet: Mo:mos, kleinen gefuellten Teigtaschen. Lecker! Wenig spaeter fielen wir nach diesem langen Tag todmuede ins Bett.
Der zweite Tag begann mit einem atemberaubenden Ausblick: morgens, wenn noch keine Wolken die Berge verhuellen, hatten wir von unserem Zimmer aus einen wunderschoenen Blick auf den Manaslu, den achthoechsten Berg der Erde! Voll Schwung starteten wir schon um halb acht in den Tag. Der Weg fuehrte zunaechst entlang des Flussbetts des Marsyangdi, oft auf der Strasse entlang, an Baustellen fuer Wasserkraftwerke und Strassenerweiterungen vorbei. Landschaftlich sicherlich noch nicht der schoenste Abschnitt auf unserem Weg, aber ein guter Einstieg ins Trekking, wuerde ich sagen. Die erste nennenswerte Steigung liess aber nicht lange auf sich warten: Bahundanda ist ein netter kleiner Ort auf dem Sattel eines Huegels, der uns ganz schoen ausser Atem brachte! Doch der Ausblick ins Tal bei einer Tasse heissem Milchtee entschaedigte uns schnell fuer die Muehen.
Im weiteren Verlauf des Tages kamen wir allerdings immer langsamer voran: Boerni hatte sich eine heftige Erkaeltung eingefangen und kaempfte ganz schoen mit den Steigungen, dazu zogen sich rabenschwarze Wolken am Himmel zusammen. Also entschieden wir: in Ghermu ist fuer heute Schluss! Gleich im ersten Guesthouse des Ortes fanden wir ein nettes kleines Zimmer (huebscher und billiger als am Vorabend), wo Boerni sich ausruhen konnte, waehrend ich von der ueberdachten Veranda aus das heftige Gewitter ueber dem Tal beobachtete. Das Abendessen wurde an diesem Tag denn auch bei Kerzenschein eingenommen, dank des Unwetters fiel ueber Stunden hinweg der Strom aus. Aber wer braucht schon Strom im Himmalaya? Kurz nach Einbruch der Dunkelheit waren wir ohnehin so muede, dass wir uns nur noch in unsere Schlafsaecke kuscheln und schlafen wollten.
To be continued :-)

Freitag, 4. April 2014

Zurueck vom Annapurna Circuit!

Hallo liebe Leser, und liebe Gruesse aus Pokhara! Wir haben unser Trekking-Abenteuer gut ueberstanden! Ein ausfuehrlicher Bericht mit Fotos wird natuerlich noch folgen, jetzt aber erst einmal nur eine kleine Statistik ;-) Geplante Kilometer: 211km Tatsaechlich gelaufene Kilometer: 185km Dauer in Tagen: 14,5 Ueberwundene Hoehenmeter: ca. 4800m Hoechster Punkt: 5416m Blasen an den Fuessen: 8 (Boerni 2, Kathrin 6) Erkaeltungen: 2 (jeweils eine) Dank Ueberlastung angeschwollene und entzuendete grosse Zehen: Kathrin 1 (deswegen auch "nur" 185km ;-) ) Momente, in denen wir aus dem Staunen gar nicht mehr raus kamen: zahllose! Insgesamt sind wir uns einig: vielleicht das schoenste Erlebnis auf unserer gesamten Reise! Wir wuerden es sofort noch einmal machen ;-)